Hana Jurankova holt WM-Titel

  • Lassen wir uns das langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen: Österreich hat in einer Reitsport-Disziplin eine Weltmeisterin: Hana Jurankova, eine zierliche Endzwanzigerin, holte sich Mitte November den Gesamtsieg in der FEGENTRI-Amateurweltmeisterschaft der Galopper, und nicht wenige Fachleute zeigten sich überrascht und verblüfft von dieser Ausnahmeleistung.

    Ein Zufall war dieser historische Triumph freilich nicht: Geboren in Südmähren, Tschechien, stammt die zierliche Endzwanzigerin aus einer Rennsport-Familie. Vater in jungen Jahren Hindernisjockey, dann in der Wiener Freudenau Arbeitsreiter und Assistent bei Trainer Emmerich Schweigert; Mutter Arbeitsreiterin und ebenfalls pferde-affin. Klein-Hana gelangte so mit vier Jahren in die damals noch „lebendige“ Freudenau und wurde ein echtes „Rennbahn-Kind“.

    Ihre Anfänge im Sattel waren klassisch: ein kleiner schwarzer Shetty namens Gingi nahm ihr jedwede Angst vor dem Runterfallen oder rasenden Galoppaden. O-Ton Hana: „Der hat mich jeden Tag abgesetzt und ist grasen gegangen. Als ich dann mein Pony ein wenig kontrollieren konnte, legte ich immer heimlich kleine Galoppstrecken hin, warf die langen Dressursteigbügel quer über den Sattel und spielte Jockey. Meistens wurde ich ertappt und bekam eine hinter die Ohren.“

    In der Schulzeit kam sie ein wenig ab vom Rennsport, wegen der Schulpflicht und anderen lästigen Unannehmlichkeiten konnte das Ponymädel immer nur samstags ausreiten. Aber der Pferdevirus hatte sie infiziert, und dagegen hilft keine Impfung – also blieb sie im Dunstkreis der Rennbahn und legte „eigentlich zum Spaß“ 2008 die Amateurreiter-Prüfung ab. Hana erzählt: „Meine ersten paar Ritte in Rennen waren nicht berühmt. 2009 kam der erste Sieger mit Livia für Markus Geisler im Magna Racino; zu dem Ritt bin ich damals gekommen, weil ich das kleine Gewicht reiten konnte und dazu eine Gewichtserlaubnis von drei kg hatte – und landete einen Überraschungssieg. Damals erhielt ich schon etwas Aufmerksamkeit von anderen Trainern und bekam Lust auf mehr. Somit habe ich immer mehr Zeit in die Pferde investiert und das Training ernster genommen – Laufen und Stufensteigen war damals fast täglich am Plan, zusätzlich zum Morgentraining im Stall und neben Uni und Job …“. Studiert hat die zweisprachige Sattelkünstlerin Tourismus/Freizeitmanagement und arbeitet seither selbstständig als Rennsport-Managerin. Mit 162 cm Körpergröße kann sie zudem 57 kg reiten und kommt zu relativ vielen Ritten, die sie mit Instinkt und Ehrgeiz zu verwerten weiß.

    Mit steigender Fitness und Reiterfahrung konnte sie neben Österreich auch im Ausland punkten, in Budapest ritt sie ihren ersten Auslandssieger; und Budapest ist bis heute ein guter Boden für sie. 2014 kam die erste Teilnahme bei FEGENTRI-Rennen (die internationale Amateur-Rennreiter-Vereinigung), die aber vorerst mangels internationaler Reiterfahrung erfolglos blieben. Dabei treffen die besten Amateure der Mitgliedsländer, entsandt von ihren jeweiligen Amateurreiter-Vereinigungen, in verschiedenen Ländern aufeinander und kämpfen um drei prestigereiche Championate (Damen und Herren auf der Flachen; Hindernisrennen).

    2016 kam Hana erneut zu einer Teilnahme beim FEGENTRI-Championat und lieferte ihr stärkstes Jahr der WM-Serie, mit über 20 Rennen, verteilt auf der ganzen Welt (Emirate, USA, Brasilien, Europa). Der Kampf um die Führung mit Lara Le Geay (FR) dauerte das ganze Jahr, bis ins Finale auf Mauritius, in das Hana mit einem winzigen Punktevorsprung ging. Hana erinnert sich: „Lara gewann das Rennen, und ich wurde Dritte – hauchdünn verwiesen auf Rang 2 der Weltrangliste. Dennoch ein Wahnsinnserfolg, denn ich ritt fünf Sieger in dem Jahr und erreichte 206 Punkte insgesamt. Österreich hat schon früher zwei Siegerinnen gehabt, Gabi Martin/Elias und Irene Kohlweiss, wir haben also große Talente. Aber wenn man selber so weit kommt, ist man schon stolz.“

    2021 wurde das absolute Erfolgsjahr der sympathischen Jockette aus Wien. Von 23 Rennen münzte sie stattliche elf in Siege um, was rund 50 % Siegquote bedeutet. Das gibt es im Rennsport nur höchst selten – und weist immer auf ein besonderes Händchen des Reiters für das Wesen Pferd hin. Ihre 41 Punkte heben sich wohltuend von den 25 Zählern der Zweitplatzierten ab. Starker Rückhalt kommt von ihrer Mutti, die bei fast allen Rennen zuschaut, und ihrem Trainer Markus Geisler und den Besitzern an dessen Stall in der Freudenau, welche ihr vollstes Vertrauen schenken und sie auch oft im Ausland reiten lassen. Von den 23 Starts in diesem Jahr waren fünf in FEGENTRI-WM-Läufen. Vier davon hat Hana gewonnen, und somit geht Weltmeister-Titel der Amateur-Reiterinnen 2021 zum dritten Mal nach Österreich. Die Weltmeisterin fasst zusammen: „Die schönsten Siege meiner Karriere waren in den USA, in St. Moritz (längster Außenseiter), Qatar, in Schweden (längster Außenseiter), Frankreich und Deutschland (für den österreichischen Besitzer und Züchter Peter Huber und Trainer Markus Geisler). Aber das Allerbeste für mich ist es, in der Früh mit einem sensiblen Vollblüter durch die Morgensonne zu kantern. Und es freut mich total, dass ich meine Pferdeliebe, mein Hobby und meinen Sport zu meinem Beruf vereinen konnte und jetzt meine eigene kleine Rennsport-Management-Firma habe.“

    Das sind die Geschichten, die uns in diesen seltsamen Zeiten ein gehöriges Quantum Trost spenden können. Österreich hat zwar selbst keinen Rennsport mehr, aber dafür gewinnen wir halt die Rennen der anderen!

    Martin Haller